Protagonisten

Sir Ken Robinson

„Schaffen wir die richtigen Bedingungen in unseren Schulen, schätzen wir alle Lernenden für das, was sie sind, und zwar aufrichtig. Dann entsteht Wachstum.“

Sir Ken Robinson, 1950 in Liverpool geboren, ist ein international anerkannter Bildungsexperte und Erziehungswissenschaftler mit Schwerpunkt Gesellschaftsentwicklung (Innovation und Humanressourcen). Er ist zudem ein herausragender Redner zu diesen Themen. Seine Vorträge, z.B. auf den renommierten TED Conferences wurden bisher mehr als 25 Millionen Mal im Internet abgerufen. Robinson plädiert für einen Paradigmenwechsel in den Bildungssystemen, da unsere jetzige Form von Bildung und auch ihre Inhalte zeitgeschichtlich überholt sind. Es gilt z.B. das „Divergent Thinking” (unangepasstes Denken), den kreativen Geist und Impetus jedes Menschen, zum Ausgangspunkt von Bildung werden zu lassen. Die Fähigkeit zu unangepasstem Denken, was bedeutet, dass es auf eine Frage mehr als eine Antwort geben kann, besitzen 98% der Kindergartenkinder, aber im Laufe der heutigen Schulbildung nimmt diese Fähigkeit kontinuierlich und radikal ab.

Sir Ken Robinson hat mit Regierungen in Europa, Asien, den USA, mit einigen der renommiertesten Kulturorganisationen weltweit und NGOs zusammengearbeitet, u.a. The Royal Shakespeare Company, Sir Paul McCartney’s Liverpool Institute for Performing Arts, The Royal Ballet, The Hong Kong Academy for Performing Arts, die Europäische Kommission, UNESCO, den Europarat, J. Paul Getty Trust und The Education Commission of the States. 1998 leitete er die nationale Kommission der britischen Regierung zu Fragen der Kreativität, Bildung und Wirtschaft. Das daraus entstandene Thesenpapier „All Our Futures: Creativity, Culture and Education”, auch „The Robinson Report” genannt, fand 1999 weltweit große Beachtung.

Von 1989 bis 2001 war Sir Ken Robinson Kunstprofessor an der University of Warwick. 2001 wurde er zum Senior Adviser to the President of the J. Paul Getty Foundation berufen und lebt heute in Los Angeles, Kalifornien. 2003 wurde er von Königin Elisabeth II. für seine Verdienste zum Ritter geschlagen.

Yang Dongping

„Unsere Kinder gewinnen am Start, aber verlieren im Ziel.“

Yang Dongping ist Professor am Beijing Institute of Technology, Abt. Bildung und Pädagogik, und Leiter der staatlichen Organisation „Bildung des 21. Jahrhunderts”, die an der Gesetzgebung der Regierung im Bereich Schule und Bildung beteiligt ist. Sein Arbeits- und Forschungsschwerpunkt ist die „Bildungs-Gleichberechtigung”, insbesondere in den ländlichen Gebieten Chinas. Yang ist Mitheraus- geber des „China Educational Development Yearbook”, auch „The Blue Book of Education” genannt.

Die aktuellen Bildungsstandards in China bewertet Yang als besorgniserregend, da sie weder kindgerecht noch zukunftsweisend seien. So äußert er sich selbst in China kritisch zu den „Mathematik-Olympiaden”, deren einziges Ziel darin bestünde, Leistungsdruck, Erfolgszwang und Konkurrenzkampf zu fördern. Der Bildungssektor in China sei mit Einführung der Marktwirtschaft ein boomender Wirtschaftszweig geworden. 14 Unternehmen, spezialisiert auf Schülernachhilfe, werden mittlerweile an amerikanischen Börsen notiert. Der gewinn- bringende Slogan dieser Unternehmen, „Kinder dürfen nicht an der Startlinie verlieren”, führe dazu, dass sie nunmehr im Ziel verlieren, so Dongping. Dies beweist auch eine traurige Statistik: seit Jahren ist Suizid die häufigste Todesursache bei jungen Chinesen. Tendenz steigend.

Andreas Schleicher

Andreas Schleicher, 1964 in Hamburg geboren, ist ein deutscher Statistiker und Bildungsforscher. Er leitet bei der OECD die Abteilung für Indikatoren und Analysen im Direktorat für Bildung. Einer breiteren Öffentlichkeit ist er als Internationaler Koordinator des Programm for International Student Assessment (PISA-Studien) bekannt.

Von 1993 bis 1994 arbeitet Schleicher für die International Association for Educational Achievement am Institut für Bildungsforschung in den Niederlanden. 1994 wechselt er als Projektmanager an das Centre for Educational Research and Innovation (CERI) der OECD nach Paris. Ab 1995 konzipiert er dort die PISA-Studien. 1997 steigt er zum stellvertretenden Leiter der Abteilung für Bildungsstatistiken und Indikatoren (Indicators and Analysis Division, Directorate for Education) auf. 2001 stellt er in Deutschland die erste PISA-Studie vor. Seit 2002 trägt er die Verantwortung für das PISA-Programm und ist an zahlreichen weiteren Bildungsprojekten beteiligt.

Die Einführung der PISA-Studien wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Aufgrund der Komplexität des Gegenstands beteiligen sich an der Diskussion nicht nur Bildungsforscher, sondern auch Pädagogen, Psychologen und andere Wissenschaftler mit statistischer Fachkunde (Mathematiker, Physiker, Ökonomen). Wichtiger Kritikpunkt ist der Grundgedanke, Bildung „standardisieren” zu wollen. Durch die Schaffung von sog. „Bildungsstandards” wird verbindlich festgelegt, welche Kompetenzen Schüler in einem bestimmten Fach zu einem bestimmten Zeitpunkt erworben haben müssen. Für viele Kritiker ist PISA ein Tool zur Markterschließung der Testindustrie.

Gerald Hüther

„Sie können keinen Menschen zwingen, sich zu bilden, sie können ihn nur dazu einladen.“

Prof. Dr. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern Deutschlands. Praktisch befasst er sich im Rahmen verschiedener Initiativen und Projekte mit neurobiologischer Präventionsforschung. Er schreibt Sachbücher, hält Vorträge, organisiert Kongresse, arbeitet als Berater für Politiker und Unternehmer. Als Mitherausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften, Mitbegründer des Netzwerkes für Erziehung und Bildung und häufiger Gesprächsgast in Rundfunk und Fernsehen ist er Wissensvermittler und -umsetzer in einer Person.

Studiert und geforscht hat er in Leipzig und Jena, dann seit 1979 am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen. Er war Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und leitete von 1994-2006 eine von ihm aufgebaute Forschungsabteilung an der psychiatrischen Klinik in Göttingen.

In seiner Öffentlichkeitsarbeit geht es ihm um die Verbreitung und Umsetzung von Erkenntnissen aus der modernen Hirnforschung. Er versteht sich als „Brückenbauer” zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlicher bzw. individueller Lebenspraxis. Ziel seiner Aktivitäten ist die Schaffung günstigerer Voraussetzungen für die Entfaltung menschlicher Potenziale, speziell im Bereich Erziehung und Bildung sowie auf der Ebene der politischen und wirtschaftlichen Führung.

Arno Stern

„Kinder sollen das Leben ernst nehmen, sagt man. Dabei sollte gerade das Spielen ernst genommen werden.“

Arno Stern, 1924 in Kassel geboren, ist ein von der UNESCO anerkannter Pädagoge und Forscher. Seit mehr als 60 Jahren übt er die dienende Rolle im von ihm erfundenen „Malort” in Paris aus.

Arno Stern besucht drei Jahre lang die Schule in Kassel, bevor er mit seinen Eltern nach der Machtergreifung Hitlers nach Frankreich emigriert. Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs flüchtet die Familie weiter in die Schweiz. Arno Stern verbringt dort bis zum Ende des Krieges seine Jugendjahre in einem notdürftig umgestalteten Fabrikgebäude. Nach Jahren der Internierung und Staatenlosigkeit kehrt Arno Stern mit seiner Familie nach Frankreich zurück. 1946 arbeitet Stern in einem Kinderheim in einem Pariser Vorort. Sein Auftrag ist, 150 Kriegswaisen zu beschäftigen. Ohne Vorstellung von seiner Aufgabe lässt er die Kinder malen. Bereits die ersten Erfahrungen machen ihm die Wichtigkeit dieses Spiels bewusst – und auch, dass es dafür geeigneter Bedingungen bedarf.  So erfindet er eine besondere Einrichtung, den Palettentisch und die schützenden Wände: Der „Malort” (franz. Closlieu) entsteht, der schützende Raum für das Malspiel.

In den sechziger Jahren unternimmt Arno Stern Reisen in ferne Länder, um die Universalität des von ihm Entdeckten nachzuweisen: Menschen in Paris, Nomaden in der afrikanischen Wüste oder Urwaldbewohner zeichnen ausnahmslos dieselben Gebilde, obwohl weder ihre Hautfarbe, noch ihre Kultur oder ihre Umgebung die geringste Ähnlichkeit aufweisen.

Diese Entdeckung zeigte, dass alle Menschen unabhängig von Alter oder Wohnort beim Zeichnen oder Malen Zugang zum genau gleichen Fundament finden, vorausgesetzt sie werden vor fremden Einflüssen geschützt und von der Gewohnheit befreit, die gezeichnete Spur mit Kunst zu verwechseln. Dieses Fundament, das Arno Stern „die Formulation” nennt, besteht aus 70 „Zeichen”, die er im Lauf von mehr als 60 Jahren entdeckt und studiert hat.

Seit mehr als 30 Jahren gibt Arno Stern in vielen Ländern Seminare und Ausbildungskurse. Er hat zahlreiche Bücher über seine Arbeit in verschiedenen Sprachen veröffentlicht.

Yakamoz Karakurt

„Was denken sich eigentlich diejenigen, die über unser Schulleben bestimmen?“

 „Ich gehe in die 9. Klasse eines Hamburger Gymnasiums und habe ein Problem: Ich habe kein Leben mehr. Mit Leben meine ich Hobbys, Freizeit und Spaß. Jeder weiß, dass die Schule nicht das Leben ist. Mein Leben aber ist die Schule, was heißt, dass da etwas falsch gelaufen sein muss. Ich komme um 16 Uhr aus der Schule und gehe nicht vor 23 Uhr ins Bett. Und das liegt nicht daran, dass ich fernsehe, mich entspanne oder sogar Spaß habe. Mein Kopf ist voll. Zu voll. Was denken sich eigentlich diejenigen, die über unser Schulleben bestimmen?”

Am 28.08.2011 veröffentlichte die damals 15-jährige Schülerin Yakamoz Karakurt aus Hamburg auf Zeit online einen offenen Brief mit dem Titel: „Mein Kopf ist voll!” Der darin beschriebene Alltag einer Gymnasialschülerin führte insbesondere im Internet zu vehement geführten Diskussionen zwischen den verschiedenen Parteien innerhalb der Bildungsdebatte. Dabei entspricht Yakamoz Karakurt keineswegs dem ihr entgegengebrachten Klischee, wer dem vorgegebenen Leistungsprinzip des Gymnasiums nicht gerecht würde, müsse sich halt umorientieren. Yakamoz Karakurt ist das, was man eine Musterschülerin nennt. Ihr Zeugnis weist die besten Schulnoten auf. Zudem gewann sie in Hamburg das alle zwei Jahre stattfindende Mehrsprachenturnier „1+3”, in dem Schüler der 10. und 11. Klasse ihre Sprachkenntnisse in Deutsch sowie drei weiteren Fremdsprachen unter Beweis stellen.

Vergangenes Jahr trug sie in Göttingen eine aktualisierte Fassung ihres Briefes vor: „Jetzt geht es mir besser, was aber vor allem daran liegt, dass ich die Schule nicht mehr so ernst nehme.”

Thomas Sattelberger

„Die Verkürzung des Lebens auf die Ökonomie ist eine der schlimmsten Entwicklungen unserer heutigen Zeit.“

Thomas Sattelberger war bis Mai 2012 Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Deutschen Telekom AG. Der im Juni 1949 in Munderkingen/ Donau geborene Diplom-Betriebswirt war von Juli 2003 bis zu seiner Bestellung zum Telekom-Personalvorstand in derselben Funktion im Mai 2007 Mitglied des Vorstandes der Continental AG in Hannover. Dort verantwortete und gestaltete er insbesondere die zukunftsfähige und strategische Ausrichtung der Personalarbeit, die konzernweite Personalentwicklung, das weltweite Talent Management sowie das Arbeitskosten- und Effizienzmanagement.

Von 1994 bis 2003 war Thomas Sattelberger für die Deutsche Lufthansa AG in Frankfurt tätig. Zunächst als Leiter Konzern-Führungskräfte und Personalentwicklung und anschließend von 1999 bis 2003 als Mitglied des Bereichsvorstands (Executive Vice President Product & Service) der Lufthansa Passage Airline, verantwortlich für die Service-Operation und die Produktentwicklung.

Die berufliche Karriere von Thomas Sattelberger begann 1975 in der Direktion Zentrale Bildung beim Daimler-Benz Konzern in Stuttgart. Von 1982 bis 1988 war er bei der ebenfalls zum Daimler Konzern gehörenden MTU Motoren- und Turbinen-Union GmbH in München/Friedrichshafen unter anderem für die Führungskräfte-Entwicklung der MTU-Gruppe zuständig. 1989 übernahm Sattelberger die Leitung des Bereichs Management Development, Training & Betreuungsqualität bei der Mercedes-Benz AG, Internationale Vertriebsorganisation in Stuttgart, von wo aus er 1990 als Leiter des Zentralbereichs Management Development & Education zur Daimler Chrysler Aerospace AG nach München wechselte.

André Stern

André Stern, 1971 in Paris geboren, ist verheiratet und Vater eines kleinen Jungen. Er ist Musiker, Komponist, Gitarrenbaumeister, Journalist und Autor. Sein Buch „...und ich war nie in der Schule”, 2009 im Zabert Sandmann Verlag erschienen, sorgte für reges Medieninteresse. Als Freibildungsexperte ist André Stern ein gefragter Referent, der sich international (Europa, USA, Kanada, Afrika, Indien) an der Seite von zukunftsorientierten Akteuren der Bildungslandschaft intensiv engagiert. Mit Prof. Dr. Gerald Hüther ist er Gründer und Leiter der Initiative „Männer für morgen”.

Ferner leitet André Stern das „Institut Arno Stern, Labor zur Beobachtung und Erhaltung der spontanen Veranlagungen des Kindes” und initiierte die Bewegung „Ökologie des Lernens”. Er arbeitet eng mit seinem Vater Arno Stern zusammen.

Wie wächst ein Kind unter den von der Hirnforschung als erstrebenswert dargestellten Bedingungen auf? Existieren Lernen, Bildung und Erfolg abseits von Leistungsdruck? Darüber gibt es keine Kenntnisse aus erster Hand. André Stern war nie in der Schule, seine Geschichte einer glücklichen Kindheit liefert Antworten auf diese Fragen und zeigt, dass es andere Möglichkeiten gibt: Eine Einladung zu mehr Vertrauen in die native Neugier, Spielfähigkeit und Begeisterung der Kinder.

Pablo Pineda Ferrer

„Für mich gibt es zwei Konzepte: Das Konzept der Angst und das Konzept der Liebe. Und wenn wir bis jetzt mit dem Konzept der Angst gelebt haben, wird es Zeit, dieses zu verlassen.“

Pablo Pineda Ferrer wurde 1974 als jüngster von drei Brüdern in Málaga geboren, ist Lehrer, Schauspieler und der erste Europäer mit Down-Syndrom, der einen Hochschulabschluss machen konnte.

Pineda Ferrer selbst erfuhr erst mit sieben Jahren durch den Universitätsprofessor Miguel-López Melero von seinem Down-Syndrom. Melero setzte sich sehr für Pinedas Ausbildung und Förderung ein. 1995 begann Pineda Ferrer ein Lehramtsstudium, das er vier Jahre später erfolgreich abschloss. Anschließend begann er ein Psychologie-Studium. Seit März 2009 ist er als Lehrer an einer Schule in Córdoba tätig.

Im Gegensatz zu Deutschland existieren seit 1986 in Spanien keine Sonderschulen mehr. Heute gehen in Spanien 85% der Kinder mit Down-Syndrom in reguläre Schulen. Zu dieser Entwicklung beigetragen hat das 1991 von Melero gegründete Projekt „Roma” zur gezielten Förderung von Kindern mit Down-Syndrom. Die Lehrpläne sind projektbezogen und fachübergreifend. So bauen die Schüler z.B. im Unterricht einen Tisch, lernen dabei, woher das Holz stammt, die Geometrie des Möbelstücks und seine Funktion. Jeder Schüler kann sich nach seinen eigenen Fähigkeiten in seinem eigenen Tempo fortbilden. Während langsam lernende Kinder sich auf den Bau des Tischs konzentrieren, können andere sich mit der Flächenberechnung beschäftigen.

Diese speziell entwickelten Lehrpläne helfen auch nicht behinderten Schülern leichter zu lernen.

Im Film Me too – Wer will schon normal sein? (Yó, también) spielt Pineda Ferrer in der Rolle des Daniel seine frei erzählte Lebensgeschichte im Kampf um Normalität. Für seine schauspielerische Leistung wurde er beim Filmfestival von San Sebastian 2009 als bester Schauspieler mit der Silbernen Muschel ausgezeichnet.